Nachwuchs- und Personalmangel
Justiz nicht attraktiv genug!
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit den rechtspolitischen Sprechern der Fraktionen im Landtag, die GRÜNEN, SPD, FDP und CDU hat sich der Vorstand der Deutschen Justiz-Gewerkschaft BW zu dem Thema Personal – und Nachwuchsmangel unterhalten. Die Veranstaltung fand in Räumen der BBBank in Karlsruhe statt. Die Moderation hat Kai Rosenberger, Landesvorsitzender des BBW-Beamtenbund Tarifunion, übernommen.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit den rechtspolitischen Sprechern der Fraktionen, die GRÜNEN, SPD, FDP und CDU hat sich der Vorstand der DJG-BW zu dem Thema Personal – und Nachwuchsmangel unterhalten. Die Veranstaltung fand in Räumen der BBBank in Karlsruhe statt. Die Moderation hat Kai Rosenberger, Landesvorsitzender des BBW, übernommen.
Erschienen waren für die GRÜNEN Thomas Hentschel, für die SPD Jonas Weber, für die CDU Arnulf von Eyb und für die FDP Nico Weinmann. Das Vorstandsteam der DJG – BW war vertreten durch den Landesvorsitzenden Reinhard Ringwald und seine Stellvertreter Renate Conrath, Rudi Siefermann und Thorsten Klay.
Moderator Rosenberger ist bei der Einführung zu dem Thema darauf eingegangen, dass wir im öffentlichen Dienst nicht nur einen Fachkräfte-, sondern einen Personalmangel haben. Damit stehen dem öffentlichen Dienst nicht mehr in dem Maße Nachwuchskräfte zur Verfügung, wie es zur Bewältigung der vorhandenen Aufgaben notwendig wäre.
Landesvorsitzender Ringwald stellt klar, dass er mit seiner Gewerkschaft hauptsächlich für den Servicebereich, also Tarifangehörige und mittleren Dienst, steht. Wenn die Politik wie jüngst geschehen pauschal fordert, die Lebensarbeitszeit bis 70 zu erhöhen, sich aber nicht die Frage stellt, warum viele in den unteren Einkommensgruppen mit dauerhaften finanziellen Abschlägen vorzeitig in Rente oder Pension gehen, ist das eine verfehlte Forderung. Ringwald machte deutlich, dass die Justiz schon einige Zeit auf dem Arbeitsmarkt nur das erhält, was die freie Wirtschaft nicht mehr möchte.
Das hängt mit dem Notendurchschnitt des jeweiligen Schulabschlusses zusammen. Einige Auszubildende brechen ihre Ausbildung in der Justiz ab, sobald sie erfahren, dass sie nach erfolgreich abgelegter Prüfung einen Zeitvertrag von grundsätzlich drei Jahren erhalten. Und weil die weiteren Arbeitsbedingungen wie immense Arbeitsverdichtung, verfallende Mehrarbeitsstunden, verfallende Urlaubstage und eine Bezahlung in Entgeltgruppe E6 weit hinter den Möglichkeiten liegen, sind bessere verlockende Angebote aus der freien Wirtschaft oder der Kommune groß.
Der Personalkörper in der Justiz Baden-Württemberg ist überaltert. Eine Reform jagt die andere und deshalb bleibt für die eigentliche Arbeit immer weniger Zeit. Weniger Personal muss mehr Arbeit in weniger Zeit erledigen. Dieser physische und psychische Arbeitsdruck macht das vorhandene Personal zunehmend öfters krank. Nicht reibungslos funktionierende Softwareanwendungen und Probleme bei der Hardware bauen zusätzlichen inneren Stress auf. Das kann sich auf die Qualität der Arbeitsergebnisse auswirken. Aus diesen Gründen empfehlen wir bei zutreffenden Fällen, eine Überlastungsanzeige zu stellen.
Jonas Weber von der SPD sagt, dass es in der Justiz Baden-Württemberg nicht sein kann, dass sich immer nur auf der Häuptlingsebene etwas fortentwickelt und auf der Indianerebene alles beim Alten bleibt. Klar ist, wenn wir die Personalberechnung aus dem Jahr 2004 für den Servicebereich nicht weiterschreiben, begehen wir einen Fehler für die Personalentwicklung in diesem Bereich. In der Justiz Baden-Württemberg sollte es nicht zur Gewohnheit werden, dass alles, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft, immer erst vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden muss. Wenn wir von Attraktivität für Beamte sprechen, dürfen wir nicht vergessen, dass es viele Tarifangehörige gibt, für die wir uns ebenfalls Gedanken machen müssen, wie deren Beruf und deren Arbeit viel attraktiver gestaltet werden kann. Es darf kein Ungleichgewicht zwischen mittleren Beamten und Tarifangehörigen geben, was gleiche Arbeit und gleiche Bezahlung angeht. Vor allem müssen im Tarifbereich geänderte Arbeitsinhalte zeitnah bei der Eingruppierung berücksichtigt werden.
Thomas Hentschel, GRÜNE, erkennt an, dass es ein Nachwuchsproblem im öffentlichen Dienst gibt. Die Berufe im öffentlichen Dienst müssen mit mehr Attraktivität gefüllt werden. Die E-Akte und generell die Digitalisierung in der Justiz sind problematisch. Das haben wir uns so nicht vorgestellt. Diese Reformen werden auf nächste Zeit hin noch viel Personal binden. Wir müssen die Themen rund um die Digitalisierung viel länger mit Ihnen als Fachverband besprechen. Auch über die Neugestaltung der Arbeitsplätze. Im Zeitalter der Digitalisierung müssen wir uns dringend Gedanken über die Arbeitsplatzgestaltung machen. Die Justizstruktur sollte insgesamt neu aufgestellt, um auch im Vergleich zur freien Wirtschaft attraktiver zu werden.
Aus Sicht der CDU erklärt Arnulf von Eyb, dass die DJG – BW mit ihren Sorgen nicht allein sei. Aus Gesprächen mit Landratsämtern und Kommunen ist ihm bekannt, dass dort auch Personal fehlt. Ebenso fehlt in Bereichen der freien Wirtschaft wie zum Beispiel Pflegeheime, Kindergärten oder Fahrschulen Personal. Von Eyb glaubt nicht, dass wir die Probleme ausschließlich mit Geld beseitigen können. Vielmehr müssen Strukturen geändert werden. „Egal, wo ich hinkomme, ich höre immer nur, dass es an Personal mangelt“, so von Eyb.
Nico Weinmann von der FDP spricht von einem prekären Fachkräftemangel in der freien Wirtschaft und im öffentlichen Dienst. Wir müssen uns in der Tat überlegen, wie wir den öffentlichen Dienst und hier die Justiz in Baden-Württemberg noch attraktiver machen können. Und wir müssen für den potenziellen Nachwuchs die Vorzüge und die Attraktivität, die es bereits im öffentlichen Dienst gibt, besser darstellen. Es ist ein sinnvoller Schritt, das Lebensarbeitszeitkonto einzuführen, nachdem wir nur noch in Baden-Württemberg die 41 Stundenwoche für Beamte haben. Somit würde jede 41. Arbeitsstunde in das Lebensarbeitszeitkonto gebucht werden. Der Arbeitskräftemangel wird im öffentlichen Dienst zunehmen, deswegen müssen Arbeitsabläufe und Strukturen genauer geprüft werden. Ich verspreche mir dadurch Zeitersparnis, weil zum Beispiel nicht jeder Vorgang über drei Schreibtische wandern muss.