Justiz: weg von Qualität - hin zur Massenabfertigung?

Droht das Justizsystem zu zerbrechen?

In den letzten Tagen wird in den Medien über Richter und Staatsanwälte und deren Belastung im Job berichtet. Wenn sich schon die Medien nicht dafür interessieren, wie es vor allem im Servicebereich der Justiz zugeht, dann legen wir von der Deutschen Justiz-Gewerkschaft Landesverband Baden-Württemberg (DJG-BW) erneut den Finger in die Wunde.

Geschwindigkeit geht vor Gerechtigkeit

Seit sich die Landesregierung für Pebb§y (sprich Pebbsi) als rein mathematisches Instrument für ein angeblich modernes Personalbedarfsberechnungssystem entschieden hat, geht in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten bei der Aktenbearbeitung öfters die schnellere vor der gewissenhaften Bearbeitung. Auszubaden hat das einzig und alleine der Bürger. Bisweilen geht Geschwindigkeit vor Gerechtigkeit. Auf Dauer verträgt das kein Justizsystem. Und in einer demokratischen Grundordnung fängt die Säule der Gewaltenteilung an den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Pebb§y wird ausschließlich dazu genutzt, das Spardiktat des Rechnungshofes umzusetzen. Wenn vordergründig keinem Tarifbeschäftigten gekündigt werden kann, werden mathematisch gewonnene Zahlen dazu genutzt, Bearbeitungszeiten noch knapper zu fassen, damit in der Folge knappes Personal weiter gekürzt werden kann. Effizienz wird die zeitgeistige Strömung genannt - und vieles wird der vermeintlichen Messbarkeit unterworfen.

Ob einem Verfahrensbeteiligten eine gerichtliche Entscheidung, ein Schriftsatz oder eine Rechtsmittelbelehrung richtig ausgefertigt und übermittelt wurde und um wieviel richtiger sie mit mehr Gründlichkeit hätte sein können, will niemand erkennen. Pebb§y schon gar nicht.

Landesjustiz steht vor Kollaps

Wenn die Arbeitsverdichtung und der gleichzeitige Personalabbau im Servicebereich bei den Tarifmitarbeitern und mittleren Beamten von der Landesregierung so konsequent und gnadenlos fortgesetzt werden, erleidet die Landesjustiz schneller als gedacht einen gefährlichen Kollaps. Unter dem Deckmantel des Ignorierens nimmt die aktuelle Landesregierung die in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und in den Fachgerichtsbarkeiten herrschende Arbeitsüberlastung bisweilen auf die leichte Schulter. Erst kürzlich wurde einem auf der Anklagebank wegen angeblicher Strafvereitelung im Amt sitzenden Staatsanwalt vom Ankläger zugestanden, dass er mit der Anzahl der Verfahren tatsächlich überlastet war. Aber er hätte seinem Vorgesetzten die Überlastung anzeigen müssen, so der Ankläger weiter. Ein Indiz dafür, dass sich das Land wenig um die enorme Belastung seiner Arbeitnehmer kümmert. Im Gegenteil: gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge der viel zu hohen Arbeitsverdichtung werden billigend in Kauf genommen. Jedem Arbeitnehmer des Landes Baden-Württemberg kann bei Überlastung nur geraten werden, unverzüglich eine schriftliche Überlastungsanzeige bei seinem Vorgesetzten zu einzureichen.

Was sollte eine Überlastungsanzeige enthalten?

Inhaltlich muss die Überlastungsanzeige konkret die Situation am Arbeitsplatz schildern. Weiterhin sollte geschildert werden, was der verantwortliche Mitarbeiter bereits unternommen hat, um die Situation zu verbessern. Die Überlastungsanzeige dient dem Schutz des Anzeigenden.

Durch die Überlastungsanzeige macht der Anzeigende dem Dienstherrn deutlich, dass das vorliegende Pensum durch ihn nicht mehr bewältigt werden kann und deshalb Fehler nicht auszuschließen sind. Der Zeitpunkt ist spätestens dann gegeben, wenn die Übersicht über die zu leistende Arbeit verloren gegangen ist und/oder dem Anzeigenden die Abarbeitung für ihn aus eigener Kraft erkennbar nicht möglich ist.

Überlastung kann auftreten bei längerfristigen Vertretungen (zum Beispiel Krankheit) sowie bei einem über dem Durchschnitt liegenden Pensum. Durchaus können Antragseingänge in unüblicher Anzahl, die zu einer bestimmten Zeit zu erledigen sind (Stoßarbeit), zu Überlastungen führen und sind daher ggf. anzuzeigen. Erfolgt durch den Dienstherrn keine Entlastung, können entstehende Fehler nicht zu Lasten des Anzeigenden bewertet und geahndet werden.

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