Personalmangel

Grafik mit Arbeitnehmer am Arbeitsplatz
RR Freitag, 13. Januar 2023 von RR

Alles hat ein Ende

Nur der Personalmangel nicht

Personalmangel und fehlende Bewerber bringen die Justiz Baden-Württemberg in eine Abwärtsspirale. Während sich das Justizministerium Baden-Württemberg mit veralteten Personalbemessungszahlen für den Unterstützungsbereich auf seinen Lorbeeren ausruht, droht die Justiz in einer Abwärtsspirale zu versinken. Das Justizministerium beruft sich im Unterstützungsbereich auf statistisches Zahlenmaterial, das dieses Jahr 20 Jahre alt ist.

Die Justiz Baden-Württemberg als öffentlicher Arbeitgeber, der für sich in Anspruch nimmt, modern zu sein und moderne Arbeitsplätze anzubieten, muss in seiner Personalpolitik eine 360° Wende hinlegen, will er für die Zukunft mit gutem und ausreichendem Personal ausgestattet sein. Nur mit einem optimal und dynamisch anpassbaren Personalkörper sorgt das Justizministerium dafür, dass bei ihm Arbeit Spaß macht und nicht in hohen Krankenfehlzeiten ausartet. Letztere sind mit Grund dafür, dass immer mehr Angestellte und Beamte frühzeitig in Ruhestand gehen. Sie nehme dafür gerne Abschläge in Kauf. Sie wissen, dass sie nicht ewig leben und die letzten Jahre des wohlverdienten Ruhestandes in einigermaßen Gesundheit leben wollen.

Praxis wird im Ministerium ignoriert

Uns als Gewerkschafter erreichen vermehrt Hilferufe aus der Justiz sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der unteren Einkommensgruppen, die genau wissen, weshalb sich ihre Arbeit nur noch mit Mehrarbeit stunden und Verzicht auf Urlaub bewältigen lassen. Die massive und ständig zunehmende Arbeitsverdichtung ist schlichtweg der Tatsache geschuldet, dass seit Jahren Personal fehlt. Forderungen nach mehr Personal werden vom Ministerium und den verantwortlichen Landespolitikern damit abgetan, dass nach der Pebb§y Berechnung für den Unterstützungsbereich von vor über 20 Jahren die Dienststellen im Land mit zu viel Personal besetzt seien. eine neue PC Erhebung müsste von allen Bundesländern befürwortet werden, weil es sich bei dieser statistischen Maßnahme um eine Angelegenheit aller Länder handelt. Dazu muss man wissen, dass in vielen Ländern die letzte Pebb§y Erhebung funktioniert hat und damit einer neuen Erhebung keine Priorität eingeräumt wird.

Für die DJG-BBW ist es völlig unverständlich, weshalb sich die Justiz Baden-Württemberg so in die Abhängigkeit anderer Bundesländer gibt. Es kann nicht sein, dass dringend notwendige, personalpolitische Maßnahmen mit der Mehrheit anderer Länder unterbunden werden. Selbst viele Verwaltungsleiterinnen und Verwaltungsleiter unterschiedlicher Justiz Dienststellen im Land verstehen die Welt nicht mehr. Ihnen fehlt Personal. Freiwerdende stellen in Folge Ruhestand oder Abwanderung in die freie Wirtschaft können seit Jahren nicht mehr oder nicht adäquat mit Nachwuchs aus eigenen Reihen besetzt werden. Da hilft auch keine E-Akte weiter. Nach wie vor werden Computer von Menschenhänden bedient und wenn diese Menschenhände fehlen, wird kein Computer selbstständig die Arbeit erledigen können.

Aus dem Alltag in der Justiz

Nehmen wir das mittelgroße Amtsgericht B. Dort gibt es eine Zivilabteilung, eine Familienabteilung und eine Strafabteilung. Der Kollege auf der Zivilabteilung ist auch für Hinterlegungssachen zuständig. Weil die Landes Oberkasse ein neues Zahlungssystem integriert hat, nimmt die Bearbeitung von Hinterlegungssachen nunmehr den doppelten Zeitaufwand in Anspruch. Auf dieser Zivilabteilung fehlt eine Kollegin aufgrund Krankheit. Diese Kollegin geht bald in Ruhestand. Dann geht eine weitere Kollegin demnächst in Mutterschutz. Wann sie wieder in den Dienst zurückkehrt, ist unbekannt. Die Familienabteilung dieses Amtsgerichts wird mit der E – Akte ausgestattet. Somit fehlen dieser Abteilung insgesamt zwei Arbeitskräfte und zusätzlich wird mit einem erheblichen Mehraufwand auf die E – Akte umgestellt.

Auf der Strafabteilung des Amtsgerichts fehlen demnächst eine Vollzeitkraft, die auf einen Beamtenlehrgang geht. Eine weitere Kraft reduziert auf 0,5. Somit fehlen der Strafabteilung 1,5 Arbeitskräfte. Damit Strafsitzungen stattfinden können, muss nun die Zivil- und Familienabteilung mit 1,5 Arbeitskräften dauerhaft unterstützen. Wie gesagt fehlen der Zivil- und Familienabteilung selbst 1,5 Arbeitskräfte. Von der zuständigen Verwaltung wurde angeordnet, dass die Zivil – und Familienabteilung dauerhaft mit 1,5 Arbeitskräften die Strafabteilung unterstützt. Diese Personalmaßnahme zeigt deutlich das Dilemma, in dem die Justizverwaltung steckt. Die Zivil- und Familienabteilung hat damit nicht nur 1,5 Arbeitskräfte weniger, sondern 3,0 Arbeitskräfte. Dieses angebliche moderne Personalmanagement ist den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Unterstützungsbereich der Justiz nicht begreifbar zu machen.

Oder nehmen wir eine Kollegin von einer Vollstreckungsabteilung auf einer Staatsanwaltschaft. Sie teilt uns mit, dass sie nicht verstehe, weshalb immer nur ein Argument gelten soll: Ihnen wird auf der Vollstreckungsabteilung gesagt, dass sie auf der Ermittlungsabteilung mithelfen sollen, um die dortige Mehrbelastung aufzufangen. Schließlich sagen die Pebb§y Zahlen von vor 20 Jahren, dass die Vollstreckungsabteilung maßlos überbesetzt sei. Auf der Vollstreckungsabteilung selbst sind mehrere Kollegen und Kolleginnen beschäftigt. Alle hatten seit mindestens sieben Jahren keine drei Wochen Erholungsurlaub am Stück mehr nehmen können. Dazu kommt, dass sich die tägliche Arbeit verkompliziert, weil Akten dicker und unübersichtlich werden und viele Erlasse, Hausverfügungen und Ähnliches mehr die Aktenbearbeitung nicht einfacher gestalten.

Keine Einzelfälle

Das liebe Kolleginnen und Kollegen sind keine Einzelfälle. Mittlerweile sind diese Fälle an der Tagesordnung in vielen Justizdienststellen im Land. Unter solchen Arbeitsbedingungen darf man sich nicht wundern, wenn immer mehr Mitarbeiter der Justiz Baden-Württemberg vorzeitig in den Ruhestand gehen. Und dabei bewusst Abschläge in Kauf nehmen was bringt die schönste Rente oder Pension, wenn ich sie nur noch in Krankheit genießen kann. Und weil Arbeit ein wichtiger gesellschaftlicher und persönlicher Indikator ist, darf Arbeit nicht krank machen. Und in der Justiz macht Arbeit krank!

Reinhard Ringwald
Landesvorsitzender

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