Länger arbeiten

Länger arbeiten
RR Freitag, 13. Januar 2023 von RR

Politik gibt Geld für ruhiges Gewissen

Noch länger arbeiten

Ministerpräsident Kretschmann ist für ein flexibles Rentenalter und dafür, dass Menschen länger arbeiten. Bundeskanzler Scholz hatte die Debatte um die Rente angestoßen. Deutschland müsse vom starren Rentenalter abweichen und es flexibler gestalten - "aber nicht in Richtung nach unten, sondern nach oben", so Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er unterstützt damit das Ansinnen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Scholz will erreichen, dass mehr Menschen bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze arbeiten, und nicht vorzeitig in Rente gehen. Kretschmann sagte, es müsse alles getan werden, damit die Menschen länger im Arbeitsleben verbleiben. Das Rentensystem werde enorm strapaziert, wenn immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Renten finanzieren müssten. Dass Menschen vorzeitig in Rente gehen, verstärke auch den Fachkräftemangel. Rentenpolitik sei aber Aufgabe des Bundes.

Arbeit macht krank

Damit die Beschäftigten in Landesbehörden möglichst lange im Arbeitsleben bleiben, hat das grün-schwarze Kabinett den Ausbau des betrieblichen Gesundheitsmanagements beschlossen. Ab 2024 investiert das Land jährlich elf Millionen Euro in die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Nach geltender Rechtslage wird die Altersgrenze für einen Renteneintritt ohne Abschläge in Deutschland derzeit schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben.

Darum gehen viele früher

Viele Menschen gehen früher in Rente und nehmen dafür hohe finanzielle Einbußen in Kauf, weil sie darin den einzigen Ausweg aus einer Arbeitsbelastung sehen, die sie nicht bis zum Rentenalter stemmen können. Der öffentliche Dienst ist lange nicht mehr so attraktiv, wie er einst war. Und bevor die Regierung darüber nachdenkt, das Renteneintrittsalter oder Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt spürbar zu erhöhen, sollte sie sich fragen, weshalb sich immer mehr Menschen vorzeitig und mit Abschlägen aus dem Arbeitsleben verabschieden.

Wären die Arbeitsbedingungen nämlich altersgerecht und nicht so stressig, würde viele freiwillig länger arbeiten. Die Gesundheitsförderung zu erhöhen ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die vor Personalmangel und einhergehenden Arbeitsverdichtung von ihrer Arbeit krank werden. Das ist zynisch und die Wurzel des Übels nicht ansatzweise gelindert.

Hamsterrad

Die Lösung für mangelnden Nachwuchs und fehlendes Personal darf nicht sein, einfach das Rentenalter zu erhöhen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass mit einer längeren Lebensarbeitszeit erreicht werden soll, dass Rentner und Pensionäre weniger lang Ruhegehalt beziehen. Schließlich arbeiten sie länger und haben bis zum durchschnittlichen Sterbealter weniger Zeit, ihren wohlverdienten Ruhestand zu genießen. Von einer längeren Lebensarbeitszeit sind vor allem erneut die Menschen betroffen, die im unteren Einkommensbereich arbeiten. Oft mir 15 Jahren im Berufsleben arbeiten Sie dann über 50 Jahre. Weil aber zum Beispiel die Justiz Baden-Württemberg auf immer mehr Ausbildungsberufe mit Studium setzt, treten diese Menschen später ins Berufsleben ein und kommen oft noch nicht einmal auf 50 Berufsjahre.

Es bringt Angestellten und mittleren Beamt*innen nichts, sie länger arbeiten zu lassen. Bei weniger Personal erhöht sich sukzessive der Arbeitsdruck. Immer mehr Menschen aus diesen Berufsgruppen werden durch ihre Arbeit krank und können oder wollen sich dem Stress nicht mehr aussetzen. Sie möchten Ihre letzten Lebensjahre noch einigermaßen gesund genießen können. Die Lösung darf auch nicht sein, die Mittel des Gesundheitsmanagements zu erhöhen. Das ist Sand in die Augen der Arbeitnehmer*innen gestreut. Das ist lediglich ein ruhiges Gewissen für die Politik, etwas getan zu haben. Was bringt es den Menschen, wenn Sie sich wegen fehlendem Personals krank arbeiten und angeschlagen in Ruhestand gehen? Ruheständler haben nichts aber rein gar nichts von dem Gesundheitsmanagement.

Nebenbei: vergleicht man die Pro-Kopf-Aufwendungen bei Arbeitnehmern im Gesundheitsmanagement der freien Wirtschaft mit dem öffentlichen Dienst, treibt es einem die Tränen in die Augen. Da stehen mehr als 50 Euro im Schnitt gegenüber etwa 2 Euro im öffentlichen Dienst. Viele kleine Dienststellen bekommen anteilig so wenig aus dem Topf, dass ein sinnvolles Gesundheitsmanagement gar nicht möglich ist. Hätten wir in der Justiz Baden-Württemberg einen ordentlichen und dynamisch angepassten Personalkörper, wären viele Mitarbeiter aus dem Angestelltenbereich und mittleren Dienst weniger krank, könnten bis zum Ruhestand arbeiten. Der eine oder die andere würden unter solchen besseren Arbeitsbedingungen sicherlich freiwillig länger arbeiten.

© 2024 Deutsche Justiz-Gewerkschaft Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Diese Website benutzt Cookies, um Ihnen das beste Erlebnis zu ermöglichen. Weiterführende Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.