Arbeitszeugnis berichtigen
Anspruch auf Berichtigung auch nach zwei Jahren
Arbeitszeugnis
Stellt der Arbeitgeber böswillig ein zu schlechtes Arbeitszeugnis aus, muss er auch nach Jahren noch damit rechnen, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Berichtigung des Zeugnisses geltend macht. Der Anspruch auf Zeugnisberichtigung ist dann nicht verwirkt. Das sah das Gericht anders. Der Arbeitgeber wurde verurteilt, zumindest ein »durchschnittliches« Zeugnis zu erteilen, eine Verwirkung des Anspruchs wurde nicht angenommen.
Das sagt das Gericht
Eine Verwirkung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer über längere Zeit diesen Anspruch nicht gefordert hat (Zeitmoment) und der Eindruck erweckt wurde, dass er das Recht auf Berichtigung nicht mehr geltend machen wird (Umstandsmoment). Das Zeitmoment wäre bei annähernd zwei Jahren zwischen der letzten Beanstandung und der Klageerhebung durchaus gegeben gewesen, allerdings nicht das Umstandsmoment. In der letzten Beanstandung des Zeugnisses hat der Arbeitnehmer nämlich klar zum Ausdruck gebracht, dass er die Formulierungen als »vollkommen unterirdisch« erachtet und warf dem Arbeitgeber in Bezug auf sein Verhalten bei der Erteilung und Formulierung des Zeugnisses eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor. Daher durfte der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auch Zeugnisberichtigung nicht mehr geltend machen würde. Ein Vertrauenstatbestand des Arbeitgebers war nicht gegeben.
Praxistipp
Grundsätzlich ist Beschäftigten, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in sachlich unberechtigter Weise ein unterdurchschnittlich formuliertes Arbeitszeugnis erhalten, anzuraten, zeitnah die betreffenden Passagen des Zeugnisses beim Arbeitgeber zu beanstanden und die entsprechende Berichtigung zu verlangen.
Nach § 109 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) muss das Arbeitszeugnis der Qualität der erbrachten Arbeitsleistung entsprechen. Da (nach statistischen Untersuchungen) die überwiegende Zahl der Arbeitszeugnisse mehr oder weniger ausgeprägt überdurchschnittlich ausfallen, wird der Arbeitgeber bereits dann, wenn er (möglicherweise auch durch Auslassungen) tendenziell nur den »knappen Durchschnitt« ausdrückt, bei gerichtlichen Auseinandersetzungen in Begründungsschwierigkeiten kommen. Zutreffend geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Arbeitgeber insbesondere dann, wenn er eine durchwegs indiskutable Qualität der erbrachten Arbeitsleistung ausdrückt - wie vorliegend (sogar!) mit drastischen Formulierungen - nicht damit rechnen darf, dass der Arbeitnehmer sich damit abgefunden habe, wenn er dies zwar zunächst rügte, aber dann längere Zeit nichts mehr unternommen hat. Dies kann nicht das Umstandsmoment und daher auch nicht die Verwirkung des Anspruchs auf Zeugnisberichtigung begründen.
Es gilt der Grundsatz: Je schlechter die Leistungsbeschreibung ausgefallen ist, desto weniger kann sich der Arbeitgeber bei längerem Abwarten des Beschäftigten in Bezug auf die Zeugnisberichtigungsklage darauf berufen, dass die Angelegenheit schon verwirkt wäre. Trotzdem ist anzuraten, in derartigen Situationen nicht allzu lange mit dem gerichtlichen Einklagen des Berichtigungsanspruchs zu warten. Denn wenn zur Klärung der Qualifikation und der Qualität der Arbeitsleistung eine Beweisaufnahme erforderlich sein sollte, kann das Erinnerungsvermögen von Zeugen schwinden.
Ewald Helml, Dr. jur., Direktor des Arbeitsgerichts a.D.