Homeoffice

RR Mittwoch, 3. Februar 2021 von RR

Arbeitgeber müssen Homeoffice ermöglichen

Vor- und Nachteile von Homeoffice in der Landesjustiz

Ich habe mir Gedanken zum Homeoffice generell und in der Landesjustiz im Besonderen gemacht. In den letzten Tagen habe ich viele Artikel dazu gelesen und mich mit einigen Justizmitarbeitern über Homeoffice unterhalten. Mit Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 19. Januar 2021 wurde eine Verordnung erlassen, welche die Arbeitgeber verpflichtet, überall dort Homeoffice zu ermöglichen, wo es umsetzbar ist.

Die Verordnung ist bis zum 15. März 2021 befristet. Ob das der manchmal träge Verwaltungsapparat bei den öffentlichen Arbeitgebern umgesetzt bekommt, bleibt abzuwarten. In sechs Wochen könnte der Spuk vorbei sein. Das Arbeiten von zuhause bedeutet, dass weniger Menschen unterwegs sind: weniger Menschen im öffentlichen Nahverkehr, weniger Menschen in den Büros und weniger Menschen auf den Straßen. Werden persönliche Kontakte von Menschen reduziert, stecken sich weniger Menschen mit dem Coronavirus an und es gibt weniger Tote.

Man muss es wollen!

Von Katharina Borchert gibt es im Internet einen Beitrag zu der Debatte über Homeoffice, wie sie in Deutschland geführt wird. Provokant schreibt sie, dass, wer Corona-Tote verhindern will, Kontakte vermeiden muss. Doch in Deutschland wird gerne über die Tischhöhe im Homeoffice diskutiert. Es wird auf den Arbeitsschutz verwiesen und der Datenschutz ins Spiel gebracht. Jetzt plötzlich zeigen viele Arbeitgeber einen Enthusiasmus für Schutzverordnungen, wie man sie vor Corona nie erlebt hat. Laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung arbeiten seit November 2020 etwa 14 Prozent der Beschäftigten von zu Hause aus. Im April 2020, während der ersten Welle, waren die COVID-Zahlen deutlich niedriger, aber die Zahl der Heimarbeiter mit 27 Prozent sehr viel höher. Zu Beginn der Pandemie hat der frühere Arbeitgeber Mozilla von Borchert jedem Mitarbeiter 1.000 Dollar zur Verfügung gestellt, um sich nach Bedarf das Arbeiten zu Hause angenehmer zu gestalten. „Aber die Kosten“, werden jetzt einige sagen. Kleiner Tipp für Zyniker: Fragen Sie doch umgekehrt mal die Personalabteilung, was die Anwerbung und Schulung neuer Mitarbeiter kostet, wenn Kollegen langfristig arbeitsunfähig werden oder gar an COVID versterben. Arbeitgeber suchen oft nicht nach machbaren Lösungen, sie suchen nach Verhinderungsgründen. Das eigentliche Problem beim Einführen von Homeoffice ist das Wollen. Man will nämlich meist nicht. Weil es unbequem ist und weil es einem zusätzliche Anstrengungen abverlangt. Vor allem aber, weil immer noch zu viele Führungskräfte eine überholte Vorstellung von ihrer eigentlichen Aufgabe haben: Führung wird mit Kontrolle gleichgesetzt und das Verhältnis zwischen Führungsebene und Mitarbeitern ist von Misstrauen geprägt. Es geht anders. Auch mit den Einschränkungen, die der massiv hinkende Breitbandausbau so mit sich bringt. Aber, man muss es eben wollen. Wenn Forscher und Unternehmer in der Lage sind, in Rekordzeit einen neuen Impfstoff zu entwickeln, zu testen und auf den Markt zu bringen, sollte man genauso entschlossen und erfolgreich deutlich mehr Homeoffice ermöglichen. Oder soll man Außenstehenden das Dilemma tatsächlich mit der vorgeschriebenen Tischhöhe erklären?

Es bleibt zu hoffen, dass die vielen vorhandenen und noch zu schaffenden Homeoffice Arbeitsplätze nach Corona nicht plötzlich wieder eingestampft werden. Auffallend ist, dass Ministerien in Baden-Württemberg mit gutem Beispiel vorangehen. Für wen, bliebe noch zu klären. Beispielsweise sind im Finanzministerium 98 Prozent der Mitarbeiter so ausgestattet, dass sie zu Hause arbeiten können. Im Sozialministerium sei der überwiegende Teil der Mitarbeiter im Homeoffice. Im Wissenschaftsministerium arbeite sogar die Hausspitze zuhause am Computer. Landesvater Kretschmann wirbt seit Tagen für mehr Homeoffice, weil damit auch weniger Menschen in Bussen und Bahnen unterwegs sind.

Wie sieht es in der Landesjustiz mit Homeoffice aus?

Die eAkte ist nicht flächendeckend eingeführt. Das Breitbandnetz in Baden-Württemberg ist marode. Der Ausbau mit Glasfaser geht nur schleppend voran. In vielen Gegenden haben Menschen gerade mal 3 Mbit im Download zur Verfügung. Das bedeutet, dort wo Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten könnten, lässt es die IT-Infrastruktur nicht zu. In einem Land wie Baden-Württemberg bedeutet die mangelnde und nicht flächendeckende IT-Infrastruktur spürbare Einschränkungen an der gesellschaftlichen Teilhabe. Aktuell können Schüler und Lehrer ein Lied davon singen. Unterricht durch die Datenleitung ist vielerorts ein hoffnungsloses Unterfangen.

Es gibt Menschen, die wollen gar nicht im Homeoffice arbeiten. Entweder haben sie zuhause keinen geeigneten Arbeitsplatz, oder einen unzureichenden Internetzugang, oder sie brauchen Menschen um sich oder sie leiden an psychischen Erkrankungen, um nur einige Beispiele zu nennen. Tatsache ist, dass an den häuslichen Arbeitsplatz in der Landesjustiz bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Weil es noch Papierakten gibt, dürfen diese weder von Dritten noch von Familienangehörigen eingesehen werden. Das Arbeitszimmer darf nicht als Spielzimmer für die Kinder, Bügelzimmer für die Ehefrau oder Esszimmer für die Familie dienen. Folglich ist die Verordnung aus meiner Sicht richtig gefasst. Der Arbeitgeber muss anbieten, der Arbeitnehmer kann annehmen.

Was ist aber, wenn ein Justizmitarbeiter von seiner Tätigkeit her im Homeoffice arbeiten könnte und das auch will? Nur seine Dienststelle will nicht. Laut der Verordnung liegen zwingende betriebsbedingte Gründe, kein Homeoffice anzubieten, nur dann vor, wenn in den Betrieben (Dienststellen) nötige Arbeitsmittel (Notebook, PC) dafür fehlen oder die vorhandene IT-Infrastruktur dafür nicht ausreicht. Nun arbeiten wir in der Landesjustiz. Wir reden vom kleinsten Haushalt in der Ministerienlandschaft. Es dürfte ein hoffnungsloses Unterfangen sein, den Bedarf an Hardware sofort zu decken (und nicht erst ab dem 15. März 2021). Zum einen ist die Nachfrage im Hardware-Bereich drastisch angestiegen. Andererseits fehlen die entsprechenden Haushaltsmittel. Ja, ich weiß, was Sie jetzt denken: es gibt die Verordnung mit dem Anspruch…. Lesen sie nochmals sechs Sätze vorher. – Eben.

Leere Dienststellen

Angenommen, es würden viel mehr Justizmitarbeiter im Homeoffice arbeiten, als das aktuell tun. Und diese Arbeitsorganisation bliebe nach Corona bestehen. Und wie jüngst das Arbeitsgericht Mannheim virtuell verhandelt hat, machen das immer mehr Gerichte im Land. Merken Sie, worauf ich hinaus will? – Genau! Unsere kleinteilige, amtsgerichtliche Struktur mit den vielen Dienststellen im Land würde geopfert. Es liegt nahe, kleine Dienststellen zu zentralisieren. Vielleicht würden die Sitzungssäle angemietet. Doch Präsenztage finden im nächsten Landgericht statt. Weitere Anfahrtswege, andere Kollegen und so weiter. Will ich kein Homeoffice mehr, fahre ich ebenfalls weite Wege und bin zeitlich länger auf der Straße.

Warum die DJG-BW für das Homeoffice plädiert

Will die Landesjustiz als öffentlicher Arbeitgeber attraktiv bleiben – für die vorhandenen Mitarbeiter und für den Nachwuchs – kommt er am Homeoffice nicht vorbei. Ob allerdings bis zum 15. März 2021 alle beantragten Homeoffice Arbeitsplätze umgesetzt werden können, bezweifle ich. Der Dienstweg ist lang, es müssen Haushaltsmittel beantragt werden, die Hardware muss auf dem Markt käuflich verfügbar sein, die technische Infrastruktur muss beim Mitarbeiter vorhanden sein und die häusliche Umgebung muss einen Homeoffice Arbeitsplatz ermöglichen.

Allerdings darf das Homeoffice nicht nur wegen der Corona-Pandemie ein Thema sein. Was jetzt auf den Weg gebracht wurde und noch wird, muss nach der Pandemie erhalten und weiter ausgebaut werden. Dass Justiz auch mit Homeoffice sehr gut funktioniert, haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt - gerade im Servicebereich. Zeitgleich müssen das Land und die Kommunen mit höchster Priorität das Breitbandnetz flächendeckend auf Glasfasertechnik umrüsten. Die Pandemie zeigt uns, wie wichtig ein schnelles Datennetz ist.

Aktuell empfehlen wir, falls ein Mitarbeiter der Landesjustiz ein Homeoffice Arbeitsplatz wünscht, das bei seiner Dienststelle schlüssig zu beantragen. Eine Ablehnung muss nach der eingangs genannten Verordnung von der Dienststelle begründet werden.

Reinhard Ringwald
Landesvorsitzender

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